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Ich konnte dich natürlich noch nicht ganz einschätzen - aber mir gefiel, dass du das alles eben nicht einfach so hinnahmst, wie ich ja eigentlich sogar behauptete es zu tun. Aber dahinter steckte natürlich mehr - denn ja, ich hatte mich damit zwar abgefunden, aber auf eine ganz andere Weise als die meisten anderen, die sich dem Befehl ihrer Wolfsseelen einfach schier bedingungslos fügten.
Nur weil sie ihr altes Leben zurück wollten? Wo blieb da der Stolz der Selbstbestimmung? Die Persönlichkeit, die uns ausmachte?
Ich ließ die fremde Seele nicht mal ansatzweise auch nur in mein Unterbewusstsein, und hatte sicherlich auch nicht vor, das zu ändern.
,,Was ist denn dein bisheriger Eindruck?", bohrte ich neugierig tiefer. ,,In einem ziemlich wichtigen Eindruck sind wir ja gerade mittendrin - die Vollmondnacht, und die Rituale haben wir eben erst hinter uns..."
Ich brach ab, als wir den Baum erreichten und du dich mit Leichtigkeit und einer Kraft, die ich dir gar nicht zugetraut hätte, auf den ersten Ast schwangst. ,,Sollte kein Problem sein", erwiderte ich abenteuerlustig und packte den ersten Ast.

Selbstbestimmung, einfach das tun was ich wollte. Eines der für mich höchsten Güter, welches ich niemals aufgeben würde.
Ob mich seine Abenteuerlust ansteckte oder ob es umgekehrt war, stellte schon ein gewisses Rätsel dar, aber es interessierte mich redlich wenig, wollte einfach nur mich selbst einmal wieder spüren. Somit zog ich mich kraftvoll immer höher in den Baum hinauf, griff alsbald nach dem Fenstersims an der Seite, zog mich auf die Kante, hing somit fast ohne Halt in schwindelerregender Höhe und stieß das kleine Holzfenster auf, ließ mich ins Innere des Häuschens rutschen.
Nahezu blind tastete ich mich durch die Finsternis drinnen bis meine Finger eine alte Kerzenlaterne erfassten. Aus einer Hosentasche frimelte ich ein Feuerzeug hervor, zündete die schon halb abgebrannte Kerze an und hängte die Lampe dann wieder an ihren Platz. Wie gut, dass ich all diesen Kram noch hier hatte, anstatt alles auszuräumen wie meine Mutter es für besser befunden hätte damals. Grinsend blickte ich aus dem Fenster. "Sogar Licht haben wir, kommst du?"

Ich grinste zu dir hoch, soeben mich an einem Ast hochziehend. ,,Schon auf dem Weg." Es war so ein gutes Gefühl, meine menschlichen Muskeln wieder zu nutzen und zu sehen, dass sie trotz der Zeit im Wolfskörper kein Stück abgebaut hatten. Ich roch den Duft der Blätter und der Rinde, den Duft der Nacht und den des schon etwas älteren Baumhaus-Holzes.
Kraftvoll erklomm ich den nächsten dicken Ast, von wo aus es nur noch ein Katzensprung zum Fenstersims war. Das nun drinnen brennende Licht machte es mir leichter, und kurz darauf schwang ich mich über die Kante, in das vom flackernden Licht der Lampe erhellte Zimmer neben dich. ,,Das ist... richtig cool." Beeindruckt ließ ich meinen Blick über die hölzernen Wände und den von einem Teppich bedeckten Boden schweifen, wo noch das Feuerzeug rumlag. Ich rutschte in einen Schneidersitz und lehnte mich gegen einen der Eckpfeiler, dann schweifte meine Aufmerksamkeit zu dir zurück. ,,Wie lange bist du nicht mehr hier drin gewesen?"

Ließ mich im ebenfalls auf dem Teppich nieder und zog endlich mal die Stiefeletten aus. Inzwischen drückten sie unangenehm.
Zufrieden aber auch nachdenklich sah ich mich in dem kleinen Zimmer um.
Viel gab es an sich nicht, aber dennoch wirkte es wie ein kleines teils aus der Zeit gefallenes, ja rustikales Wohnzimmer. Eine etwas windschiefe Kommode stand an der Wand, in einer Ecke ein Bücherregal neben einem dicken Sitzsack, sogar ein kleineres Sofa existierte hier drin was aussah als hätte Großmütterchen es nicht mehr gebraucht und hergegeben, die alte Blümchenmusterung war hier und da zu sehen unter Decken die ich irgendwann mal drüber gezogen hatte, sich jedoch verschoben hatten.
"Hm, ich weiß selber nicht wie lange ich nicht mehr hier drin war. Seit etwa einem halben Jahr vielleicht, davor war es mit der Zeit immer seltener geworden. Irgendwie kam ich nicht mehr so recht dazu hier eine Weile abzuhängen"
Zumindest die halbe Wahrheit, den wahren Auslöser würde ich vermutlich nie jemandem verraten.

Mein Blick fiel für einen Moment auf deine nackten Füße und ich betrachtete sie ungewöhnlich eingehend. Wie lange hatte ich keine nackten Menschenfüße gesehen? ,,Du hast schöne Füße", bemerkte ich einfach so, mit einem schiefen Lächeln, und sah zu dir auf. ,,Fast so schön wie dieses Baumhaus." Mein Blick schweifte nun weiter, über das Bücherregal, den Sitzsack und das kleine Sofa. Verrückt, was alles in so ein kleines Häuschen in einer Baumkrone passen konnte. Nahezu wie ein richtiges Wohnzimmer war es hier drinnen ja - und das machte es herrlich gemütlich. Ich krabbelte zu dem Sofa hinüber und machte es mir darauf mit einem munteren Grinsen bequem. ,,Ich darf doch?"
Zu deiner Antwort auf meine Frage sagte ich erstmal nichts, mir war gleich aufgefallen, dass du nicht alles erzähltest. Dann ging ich aber doch darauf ein. ,,Hm, schade. Muss viel los gewesen sein."