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Dracon (502 Posts bisher) |
Ich war dir gefolgt - aufmerksam, wachsam und mit gespannten Muskeln. Jede deiner Bewegungen hatte ich aus meinen scharfen Augen beobachtet, hatte deine Aufgelöstheit und deine Wut und deine Verzweiflung erfasst. Herrlich zum Zuschauen. Die anbahnende Szene hatte versprochen interessant zu werden, und dieses Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Ganz offensichtlich war heute doch kein so eintöniger Tag, wie ich zuerst geglaubt hatte. Mein düsteres Grinsen vertiefte sich. Ich stand nun direkt am Waldrand, noch immer im Schutz der Bäume, verborgen zwischen den tiefen Schatten. Einzig meine goldgelb funkelnden Augen zeichneten sich zwischen den Zweigen ab, hätte man mir Beachtung geschenkt, der Rest meines wölfischen Körpers schien perfekt mit dem Wald zu verschmelzen. Doch das Mädchen sah erst gar nicht in meine Richtung, sondern redete die ganze Zeit hektisch auf den Mann ein - es klang so lächerlich, wenn sie es sagte. Es klang immer lächerlich, egal wer es sagte und egal zu wem, denn wer den Fluch nicht am eigenen Leib erfahren hatte, würde einer solchen Geschichte niemals Glauben schenken. Außer, derjenige sah die Verwandlung eines Rudelmitglieds mit eigenen Augen, so wie jetzt dieser arme Bauer - tja, es würde ihm nichts nützen. Ich konnte schon anhand der Verwandlung erkennen, dass die Wolfsseele nun aktiv war, womöglich präsenter als jemals zuvor, und mit aller Macht die Kontrolle an sich riss. Was nun folgte, konnte man sich denken. Ich hatte mich hingesetzt und gemütlich an einen Baum gelehnt, als wäre dies mein Ersatz für die Fernsehabenden, die ich früher regelmäßig genossen hatte. Zwar war ich kein kompletter Unmensch, es verschaffte mir nicht etwa Befriedigung oder ähnliches als ich den Mann sterben sah, aber ich fand es interessant. Und sowie er seinen letzten Atemzug getan hatte und das Mädchen, das ich in ihrer Wolfsgestalt nun als Anouk erkannte, zurück trat, löste ich mich aus den Schatten. ,,Spannend, wirklich spannend", klang meine Stimme vom Wald zu ihr herüber. Hohn schwang in ihr mit. ,,Toller Plan, wirklich." | |||
Anouk (139 Posts bisher) |
Es kostete mich unglaublich viel Mühe, stehen zu bleiben, während der Bauer vor mir blutend auf dem Boden lag und sich vor Wut und Angst brüllend seinen Oberarm hielt. Meine Pfoten fest im Boden verwurzelt, focht ich den inneren Kampf mit dem Wolfsgeist aus, der auch in mir sprang und nach meinem Bewusstsein schnappte wie zuvor nach dem Oberarm des Mannes. Kein Schritt zurück war mir möglich, aber ich wollte auch keinen Schritt nach vorne tun. Was wenn er stirbt? Er muss doch leben, um mir zu helfen! Als ich realisierte, dass das der erste Gedanke war, der mir gekommen war und den ich auch ganz bestimmt nicht auf die Wolfsseele schieben konnte, durchflutete mich Schock. Der Wolfsgeist erkannte meinen kurzen Augenblick der geistigen Schwäche und meine Pfoten lösten sich vom Asphalt, nur damit ich mich kurz darauf das Maul tief im Hals des Mannes vergraben wiederfand. Nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, zog ich mich langsam zurück - tappte rückwärts Richtung Waldrand. Das Bild des blutüberströmten Mannes vor mir und das Entsetzen in seinen leblosen Augen brannten sich in mein Bewusstsein. Alles hinter dem bläulichen Schleier der Wolfsaugen, und mein tiefes Entsetzen, meine Enttäuschung und meine Wut verbannten den Wolfsgeist in einen dunklen Winkel weit hinten in meinem Bewusstsein. Langsam drehte ich mich um, um den Anblick des Mannes loszuwerden, den ich getötet hatte. Getötet Gerade drohte mich diese Wahrheit mit einem Schlag zu treffen, als ich mich vollständig umgewandt hatte und eine graubraune Wolfsgestalt entdeckte, die in diesem Moment ihre Stimme erhob. Dein Spott und dein Hohn trafen wie ein Schlag meinen ohnehin nach der Verbannung der Wolfsseele leeren und verletzlichen Geist. Doch es waren deine goldgelben Augen mit ihrem stechenden Blick, die mein neues Inneres mit unbändiger Wut erfüllten. Vielleicht war es auch Selbsthass, der aus mir sprach, gepaart mit dem Wissen, auf ganzer Ebene versagt zu haben. "Du hättest helfen können!" Der Vorwurf in meiner Stimme stand im krassen Kontrast zu dem Blut, was im goldbraunen Fell meiner ganzen Schnauze klebte, meinen Pelz auch an den Flanken dunkelrot musterte und mir von meinen Lefzen tropfte. Meine sonst haselnussbraunen Augen waren beinahe vollständig durch das Schwarz meiner vor Adrenalin geweiteten Pupillen ausgefüllt. | |||
Dracon (502 Posts bisher) |
Es wirkte tatsächlich seltsam, dass diese Wölfin, die soeben den unschuldigen Bauern getötet hatte, nun mir den Vorwurf machte - wo es doch ihr Maul war, aus dem jetzt das Blut des Mannes tropfte, und es ihre Augen waren, die panisch angesichts der eigenen Tat geweitet waren. Ich nahm all dies überdeutlich wahr und neigte dann leicht den Kopf zur Seite, mein Blick war dabei recht ungerührt. ,,Tatsächlich?" Meine Augen blitzten unergründlich. ,,Hätte ich das? Ich hätte helfen können?", wiederholte ich deine Aussage fragend, und immer noch schwang ein gewisser Spott, ganz sicher aber Ironie in meiner Stimme mit. Die Frage erwartete keine Antwort. Ich richtete mich wieder auf, nahm meine volle Größe ein und überragte dich nun ein ganzes Stück. ,,Du hast dir selbst geholfen - wenn vielleicht auch nicht aus freiem Willen heraus, aber das spielt keine Rolle", erklärte ich, kühler nun. ,,Diesen Mann zu töten war die einzige Möglichkeit. Er wusste zu viel. Und niemand darf etwas wissen, das sollte dir eigentlich bekannt sein... " Ich kam näher und begann, dich in großem Umfang zu umkreisen, mein Blick die ganze Zeit stechend auf dich gerichtete; keinen noch so kleinen Moment zur Seite gleitend. ,,Du bist doch Kleintatze, nicht wahr?", fuhr ich dort, ohne dich zu Wort kommen zu lassen. ,,Willst du nicht eines Tages einen höheren Rang anstreben? Willst du das alles nicht hinter dich bringen? Glaubst du, ein solch schwerwiegender Verstoß gegen den Rudelkodex wird dir geben, was du willst?" Ich lachte ein unechtes, trockenes Lachen. | |||
Anouk (139 Posts bisher) |
Du hättest mich davon abhalten können, ihn zu töten. Diese Worte laut auszusprechen, schenkte ich mir. So war es doch offensichtlich, dass dir diese Möglichkeit in den Sinn gekommen war und du dich dagegen entschieden hattest. Die Ironie in deiner Stimme schrie mir unangenehm entgegen und knabberte unentwegt an meiner Selbstbeherrschung. Auf eine verquere Art und Weise warst du mir eine willkommene Ablenkung. Nun arbeitete mein Kopf wieder auf Hochtouren und es fiel mir leicht, so leicht, die Wolfsseele vergraben zu halten und die tiefen Schuldgefühle, die sich ihren Weg zur Oberfläche bahnen zu versuchten, in Schach zu halten und auf einen anderen Moment zu verschieben. Weit unten in meinem Bewusstsein fühlte ich sie lauern, doch momentan war ich in einem merkwürdigen Zustand der Gelassenheit. Alles schien... gleichgültig. Während du mich umkreistest, rührte ich mich nicht, folgte dir auch nicht mit den Ohren, da ich ohnehin wusste, wo du warst. Bei deinen Worten musste ich unwillkürlich schnauben. "Woher willst du wissen, was ich will? Warum sollte ich an einem hohen Rang interessiert sein?" Nun triefte meinerseits eine verächtliche Belustigung aus dem Gesprochenen. Augenblicklich fragte ich mich, welchem Rang du wohl angehörtest und auf einmal durchfuhr es mich wie ein Blitz. Ich kannte dich! Im Halbdunkel des Tempels nur schwer zu erkennen gewesen, hatte ich deinen Pelz nicht gleich wieder erkannt, aber du warst Dracon, der Wolf, der den ersten Nachwuchs mit der ehemaligen Omega zeugen sollte und Mitglied der Garde. So schnell, wie ich dich erkannte, wusste ich auch, dass bei dir jede Überredung und jede Erklärung vergebens wären und so ließ ich mir nichts anmerken, stand weiter starr in deinen Umkreisungen und leckte mir langsam das Blut von den Lefzen. | |||
Dracon (502 Posts bisher) |
Schließlich blieb ich wieder vor dir stehen, dichter diesmal, denn wie immer genoss ich es, den direkten Größenvergleich zur Schau zu stellen. Zu demonstrieren, dass ich stärker war, mal ganz abgesehen von meinem Rang, der mit deutlichem Abstand über deinem stand. ,,Du hast recht", sagte ich nun mit kühler Stimme, aus der der Hohn mittlerweile verschwunden war, und nichts als dominante Kälte zurückgelassen hatte. ,,In dem Punkt, dass ich nicht wissen kann, ob du einen hohen Rang anstrebst, oder was du überhaupt willst... Jedoch maße ich mir jetzt einfach mal die Vermutung an, dass du wohl ungern als Sträfling oder Omega enden willst. Oder irre ich da?" Für einen kurzen Moment blitzte doch wieder der Spott durch. Ich erwartete keine Antwort auf meine Frage, und verbot dir ohnehin mit einem warnenden Blick, nun zu sprechen. ,,Ganz sicher irre ich aber jedenfalls nicht in der Tatsache, dass du soeben bereit warst, das Rudel in eine nicht zu verantwortende Gefahr zu bringen", fuhr ich dort, ,, mal ganz abgesehen von dem Menschen, den du soeben getötet hast. Dieser Mann hätte nicht sterben müssen - hättest du den Gesetzen des Rudelkodex gehorcht, wie es deine Pflicht gewesen wäre." Mit bohrendem Blick sah ich auf dich herab. ,,Diese Nachricht wird Heath überhaupt nicht gefallen. Eine kleine Verräterin in seinen Reihen zu wissen..." Tadelnd schüttelte ich den Kopf, als würde ich ein kleines Kind belehren - doch der Vorwurf war weitaus größer als einer, den ein kleines Kind jemals gemacht bekommen könnte. |
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